Ist Corona ein Booster für New Work?

Wie gut sind hierarchisch geführte Unternehmen in der Krise aufgestellt? Können Unternehmen durch direktive Vorgaben in diesen Zeiten besser und schneller auf die Anforderungen reagieren? Warum das nicht der Fall ist, erfahren Sie in diesem Beitrag. 

Was lernen wir gerade? Im Homeoffice können Menschen nicht mehr so leicht beobachtet und beeinflusst werden. Die Führungskraft hat nur mehr begrenzt Zugriff auf seine Mitarbeiter und hat kaum Einblick in das, was während der Arbeitszeit tatsächlich getan wird. Kontrolle, als zentrales Steuerungselement vieler hierarchischer Unternehmen greift spätestens dann, wenn Mitarbeiter zukünftig vermehrt im Homeoffice arbeiten, nicht mehr. Das ist, so erfahre ich aus zahlreichen Gesprächen mit Kunden, eine irritierende und schmerzhafte Erkenntnis zugleich. 

Es reift zugleich das Bewusstsein, dass erhöhter Kontrolldruck durch den Vorgesetzten schon immer Demotivation und ein geringeres Verantwortungsgefühl bei Mitarbeitern zur Folge hatte. Demotivierte Mitarbeiter reagieren unmittelbar mit „Dienst nach Vorschrift“ und sind folge dessen oft nicht in der Lage, kundenorientiert zu reagieren. Und im Homeoffice ist die Kontrolle hinsichtlich Einhaltung von Vorgaben und Regeln, wenn überhaupt, nur mit sehr hohem Aufwand zu bewältigen. Hier funktioniert vielmehr das Prinzip der Eigenverantwortung und des Vertrauens. 

Das wirksamste Mittel bei Unsicherheit ist gegenseitiges VERTRAUEN  

In dem Moment, wo Führungskräfte keinen direkten Kontakt zu ihrem Team haben, hilft nur Vertrauen. Eine Führungskraft braucht Vertrauen in die Sachkompetenz seines Teams und in die Bereitschaft, zu leisten. Vertrauen ist die zukünftig Währung, um in einer digitalen und vernetzten Welt zu bestehen. 

Je weniger Vertrauen zwischen zwei Menschen oder je unbekannter eine Situation, z.B. wenn noch keine Erfahrung mit Homeoffice da ist, umso höher wird die Verunsicherung auf beiden Seiten. Bei Unsicherheit suchen Mitarbeiter und Führungskräfte nach einem sicheren Rahmen. Im Führungsverhalten zeigt sich das durch engere Führung, mehr Kontrolle und Vorgaben. Das gibt im ersten Moment beiden Seiten das Gefühl von Sicherheit. Doch ist es das, was wir unter New Work verstehen? Nein. 

Unternehmen, die schon bisher geteilte Verantwortung, agile Arbeitsweisen und crossfunktionale Teams etabliert haben, tun das aus der Erfahrung heraus, dass Vertrauen und regelmäßiges reflektieren der Zusammenarbeit geeigneter sind, um durch schwierige Zeiten zu kommen, Ziele zu erreichen und Erfolg zu sichern. 

Diese Krise bietet uns ein großes Lern- und damit auch Entwicklungsfeld. 

Diese Erfahrungen der letzten Monate schärfen aus meiner Sicht auch nochmal das Verständnis, dass Organisationen keine Maschinen und daher nicht steuer- und kontrollierbar. Auch wenn sich dieses Paradigma aus dem Industriezeitalter hartnäckig in den Köpfen der Menschen festgesetzt  hat. 

Weder ein Unternehmen noch der einzelne Mensch sind Maschinen, die man kontrollieren und steuern kann. Sie sind lebende Systeme, in sich komplex, und aufgrund der hohen Vernetzung und vieler Player (Einzelelemente) unvorhersehbar und nicht kontrollierbar. (Komplexität erkennen wir auch daran, dass das Maß der Überraschung hoch ist. Die Ausbreitung des Corona-Virus ist ein schönes Beispiel dafür.) Die bekannten Steuerungspraktiken wie z.B. Top-Down-Vorgaben, Prozessbeschreibungen und deren Kontrolle wirken nur dann, wenn es um standardisierte Abläufe z.B. in der Produktion, komplizierte Fragestellen z.B. der Einrichtung und Anwendung einer bestimmten Software oder aber um sicherheitsrelevante Themen wie z.B. Hygienemaßnahmen geht. 

Der Mythos des Steuern und Kontrollierens bricht in sich zusammenbrechen. Das Verständnis von Führung wird auf den Kopf gestellt. 

Obwohl sich der Mythos des Steuern und Kontrollierens das Denken und Handeln vieler Top-Führungskräfte bestimmt, wird die Krise bei vielen Unternehmen zum Umdenken führen. Die gut eingeübten Top-Down-Entscheidungen von Machtträgern und Entscheidern werden hinterfragt, da sie weder in der aktuellen Krise und schon gar nicht morgen geeignet sein werden, um zu überleben. 

Solange eingefahrene Strukturen und Silos aufrecht erhalten werden, werden Innovation und Entwicklung ausgebremst. Heute und zukünftig braucht es Transparenz, Offenheit und die Weisheit vieler. Und unsere Bundesregierung hat das in der ersten Phase der Krise gerade ganz gut bewiesen. Unterschiedliche Experten und Wissenschaftler wurden herangezogen. Auf deren Basis wurden parteiübergreifend die bestmögliche Entscheidungen ausverhandelt und je nach Entwicklung der Zahlen dann auch wieder nachjustiert. Ein schönes Beispiel für iteratives Vorgehen. 

Organisationen, die traditionell hierarchisch organisiert sind, können aus der Krise zur Erkenntnis kommen, dass zentrale Steuerung und funktionale Aufgabenverteilung nicht mehr ausreichen, um der äußeren Dynamik zu begegnen. Sie stellen fest, dass es immer weniger möglich sein wird, durch Einzelentscheidungen oder in Silos gute Entscheidungen zu treffen.  

Fazit: 

Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, im Rückenwind der Krise, sich mutig in die Augen zu sehen und aus dieser Krise gemeinsam für die Zukunft zu lernen. Jetzt ist der Zeitpunkt, um über das zukünftige Verständnis von Führung und Zusammenarbeit nachzudenken. Corona hat uns gelehrt, wir müssen in der Lage sein, loszulassen und einander zu vertrauen.

Führungskräfte machen im remote-Modus die Erfahrung, dass sie nur mit Vertrauen in ihre Mitarbeiter vorankommen. Ebenso ist die Erkenntnis, dass mit geteilter Verantwortung viel schneller und weisere Entscheidungen getroffen werden können, als im Elfenbeinturm.

Die bestehenden Praktiken und Grundannahmen, dass nur über Hierarchie, zentrale Steuerung und Kontrolle geführt werden kann, wird bei der Umstellung auf Homeoffice und digitale Konferenzen neu hinterfragt.

Organisationen, die also jetzt schon bereit sind, über neue Führungsformen und agile Strukturen nachzudenken, werden auch zukünftig in der Lage sein, Krisen zu überleben und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. New Work wird bald dann zur guten neuen Normalität.