Mit seinem 1911 erschienenen Werk „The principles of scientific management“ hat Frederick Winslow Taylor einen Quantensprung in punkto Unternehmensführung erreicht. Er hat durch die Einführung einer funktionalen und hierarchischen Arbeitsteilung den Grundstein für standardisierte Produktion und das daraus abgeleitete Management gelegt. Planung, zentrale Führung und Steuerung, Standardisierung von Prozessen waren das Maß der Dinge und in Zeiten weitgehend geschlossener Märkte mit wenig Wettbewerb, wenig Überraschungen die Grundlage für Erfolg. Doch die Rahmenbedingungen am Markt haben sich radikal verändert.
In den 1970er-Jahren wird der Markt praktisch über alle Branchen hinweg zunehmend wettbewerbsintensiver und kundengetriebener und sind Verdrängungswettebewerb geprägt. Kundenbedarfe differenzierten sich aus, Dienstleistungen wurden in immer kürzeren Intervallen mehr und mehr „customized”.
Unternehmen haben ab den 1970er-Jahren darauf mit immer weiter verfeinerten Managementmethoden reagiert. Management by Objectives, KPI´s, Qualitäts- und Prozessmanagement wurden eingeführt in der Hoffnung, die zunehmende Komplexität zu bewältigen.
Die heutigen Märkte sind geprägt von Globalisierung, Digitalisierung und einem hohen Maß von Disruption. Märkte sind zunehmend instabiler, volatil, dynamisch und komplex. Doch immer noch greifen Entscheider auf bekannte Lösungsmuster zurück. Das Ergebnis: noch mehr Kennzahlen, Analysen Forecasts, Reportings, Boni und Zielvereinbarungssysteme. Same old Same.
Will ein Individuum oder eine Organisation in einer komplexen Welt langfristig überleben, müssen sie mit Überraschungen (siehe Corona-Pandemie) zurechtkommen. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie mit dem Versuch der weiteren Optimierung von Prozessen, der zentraler Steuerung und Kontrolle, Leadership-Programmen etc. nicht schnell genug und angemessen auf die sich ändernden Marktbedingungen reagieren.
Was an sich logisch ist. Wie kann eine zentral gesteuerte Organisation und mit bis ins kleinste Detail ausdefinierten Abläufen flexible reagieren?
Das Narrativ von der Organisation als Maschine, die nur geschmiert werden muss, gesteuert und kontrolliert werden kann, hält sich aufrecht.
Wo ist der Knackpunkt? Warum tun sich viele Unternehmen immer noch schwer, innovativere Wege zu beschreiten? Hier finden sich zahlreiche Erklärungen. Aus meiner Sicht spielen fest verankerte Denkmuster über die Funktionsweise eines Unternehmens und das Bild, das wir von Menschen haben, die zentrale Rolle. Dort wo Organisationen wie Maschinen betrachtet werden, die nur geschmiert und optimiert werden müssen, kann keine agile Organisation entstehen. Dort wo Mitarbeiter nicht als Menschen mit dem Bedürfnis nach Wertschätzung und sinnstiftender Arbeit, sondern als Kostenfaktor oder bestenfalls als Ressourcen betrachtet werden, auch nicht.
Es zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab, wenn auch zögerlich. Dieser lautet:
Organisationen sind lebende Systeme. Menschen sind ursprünglich von sich aus motiviert zu leisten.
Mit Einführung des Agilen Manifestes im Jahr 2001 beginnt ein erstes Umdenken. Unternehmen erkennen mehr und mehr, dass agiles Arbeiten ein besserer Weg ist, um Kundenansprüchen gerecht zu werden. Die ursprünglich aus der Softwareentwicklung heraus entwickelte Arbeits- und Denkweise hat mittlerweile in zahlreichen Unternehmen Einzug gehalten.
Blicken wir heute, 20 Jahre später drauf, stellen wir fest, auch hier stoßen viele Organisationen an ihre Grenzen.
Es gibt es Widerstand und „Bruchstellen“, vor allem dort wo traditionelle Organisationsstrukturen auf die Arbeit agiler Teams stoßen.
Wollen Unternehmen sich schnell auf die Kundenbedürfnisse einstellen, wendig neuen, veränderten Bedingungen anpassen, so reichen langfristig die Methoden agilen Arbeitens allein nicht aus. Es braucht einen Blick auf die Steuerungspraktiken und das Organisationsdesign bzw. die Strukturen.
Um das zu ermöglichen, braucht es die Einsicht, dass Unternehmen keine Maschinen, sondern lebende soziale System sind. Als solche sind sie hoch komplex und mit tradierten Managementmethoden nicht steuerbar. Und es braucht die Erkenntnis, dass Menschen verantwortungsvoll engagiert leisten wollen und Veränderungen nicht an den Menschen, sondern v.a. an den Strukturen scheitern.
Wo ein solcher Paradigmenwechsel stattfindet, ergeben sich aus meiner Erfahrung fast wie von alleine, Erkenntnisse, die neue und sinnvollen Schritte in Richtung agiler Organisation hervorbringen.